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Rückblick

104. Billbrookkreis-Treffen

am Montag, 28. März 2022 von 12 bis 14 Uhr
im Hotel Böttcherhof

Gastredner: Mohammad Dr. Faisal, Botschafter der Republik Pakistan in Berlin
Thema: Die wirtschaftlichen Möglichkeiten Pakistans

Gastredner: Dr. Günther Klemm, ehemaliger Syndikus und Volkswirt der Handelskammer Hamburg
Thema: Wirtschaft in schwierigen Zeiten

Trotz Krieg und Krisen: Unternehmen verhalten optimistisch

Keine Prognose, wie er sie traditionell zum Jahresauftakt im Billbrookkreis stellt? „Doch, aber eine besonders unsichere“, leitete Ehrengast Dr. Günther Klemm, ehemaliger Syndikus und Volkswirt der Handelskammer Hamburg, seinen Vortrag „Wirtschaft in schwierigen Zeiten“ ein.

Die Wirtschaft sei in diesem Jahr gleich von mehreren „externen Schocks“ betroffen: die weiter andauernde Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und nicht zu vergessen die strukturellen Schwächen im Land.

Der Krieg und das Embargo gegen Russland zögen erhebliche Folgen für die direkten Betroffenen nach sich, heißt es. Der Außenhandel mit Russland macht etwa 2,3 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels aus. In Hamburg haben, so Klemm, rund 800 Unternehmen geschäftliche Kontakte nach Russland. Nach eigenen Angaben seien für sie die Auswirkungen derzeit begrenzt. Viel gravierender bewertet Klemm die indirekten Folgen des Kriegs: Unsicherheit – etwa in Bezug auf Planungsprozesse –, steigende Energie- und Rohstoffpreise und die Unterbrechung von Lieferketten. „Wir haben bereits in der Corona-Pandemie gesehen, wie verzahnt die Wirtschaft ist. Viele Rohstoffe kommen aus Russland“, sagt Klemm. Der Wirtschaftexperte warnt in diesem Zusammenhang: „Gasimporte aus Russland kurzfristig zu stoppen, ist wenig hilfreich und wird sehr gravierende wirtschaftliche Folgen haben.“ Man werde Russlands Präsident Putin finanziell nicht stark genug treffen, wohl aber im eigenen Land eine extreme Preissituation erreichen.

Auch die Corona-Pandemie ziehe enorme indirekte Folgen nach sich. Der Verlust an Wertschöpfung beziffere sich auf 350 Milliarden Euro. Dementsprechend sei ein geringeres Wirtschaftswachstum als bisher angenommen zu erwarten. Seine Wachstumsprognose für 2022 liegt bei 2 Prozent.

Schon vor dem Krieg ein großes Thema: das Inflationsrisiko. Dr. Klemm sieht die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) kritisch; anders als die EZB geht er, wie er sagt, nicht davon aus, dass sich die Preise 2022/23 im Land stabilisieren.

Wirtschaftsaussichten in Hamburg

Wie im Bundesdurchschnitt sei laut der Handelskammer Hamburg auch in der Hansestadt ein Wirtschaftswachstum von 2 bis 3 Prozent zu erwarten. Einige Branchen seien positiv gestimmt – etwa Industrie, Verkehrsgewerbe, Finanzsektor und unternehmensnahe Dienstleistungen. Negative Stimmung setze sich seit Corona-Ausbruch in Gastronomie, Hotellerie und bei den personenbezogenen Dienstleistungen fort.

Die Hamburger Wirtschaft zeige sich – vor Kriegsausbruch – verhalten optimistisch. Dennoch beschäftigten sich die Unternehmen mit gewichtigen Themen:

  • Mögliche Einschränkungen des internationalen Handels durch Krisen
  • Fachkräftemangel
  • Energie- und Rohstoffpreise
  • Verkehrspolitik – viele Unternehmen befürchteten, dass diese Probleme bereiten könnte

Trotz Pandemie und Krieg sei die Hamburger Wirtschaft weiterhin „verhalten positiv gestimmt“. Ein großer Teil der Wirtschaft arbeite trotz ökonomischer und ökologischer Einschränkungen stabil. Aber: „Manches wird teurer, manches wird knapper, manchmal sorgt Unsicherheit für Vertrauensverlust. Es wird uns Einkommen und Wohlstand kosten“, prognostiziert Dr. Klemm.

Die Herausforderungen …

Nach Klemms Einschätzung wird die Inflation sich Richtung 5 bis 7 Prozent entwickeln – wie zuletzt 1973 in der Ölkrise. Die Entwicklung von einer Nullzins- und Negativzinspolitik hin zu einer Inflation treffe Einkommensbezieher, zerstöre Vertrauen und gefährde den sozialen Frieden. Das Dilemma der EZB: Die Rücksicht auf besonders verschuldete Staaten der Eurozone verhindert die notwendige restriktive Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation einerseits; andererseits hemmen (zu) spürbare Zinserhöhungen eine konjunkturelle Erholung.

„Die Energiewende soll den Wechsel von der sozialen zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft bringen. Angesicht der aktuellen Situation der Abhängigkeit kommen Zweifel auf. Wir haben als einziges europäisches Land die Kernkraft abgeschafft“, sagt Dr. Klemm. Und weiter: „Eines wird sich nicht bewahrheiten, was der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) einmal gesagt hat: ‚Die gesamte Energiewende wird Verbraucher nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten‘.“

Fachkräftemangel, Rückstand in der Digitalisierung, Mängel in den Verwaltungen, schwierige Planungs- und Entscheidungsverfahren sieht Klemm als weitere Herausforderungen. Insgesamt sei die zu geringe politische und gesellschaftliche Wertschätzung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschland zu bemängeln. „Das wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Aber ohne wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist vieles weniger möglich, etwa Bildung und Gesundheit. Das sollten wir als Gesellschaft im Blick haben“, mahnt Dr. Klemm.

Lieferketten: 80 Prozent der Kabelbäume, die beim Fahrzeugbau eingesetzt werden, kommen aus der Ukraine. Sehr viele Rohstoffe kommen aus Russland. Kleine Störungen können bereits zu Lieferausfällen führen. Die Abhängigkeit von funktionierenden Lieferketten wird nach Klemms Einschätzung künftig wieder zu mehr Lagerhaltung führen. „Die internationale Arbeitsteilung wird fortbestehen, aber man wird mehr Sicherheitsreserven einbauen.“

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„Von dem immensen Potenzial Pakistans profitieren“

Hochrangiger Besuch: Zur Jahresauftaktveranstaltung war Dr. Mohammad Faisal, Botschafter der Republik Pakistan in Berlin, eigens von der Spree an Elbe und Bille gereist, um den Mitgliedern des Billbrookkreises sein Land aus wirtschaftlicher Perspektive vorzustellen.

Wer Geschäfts im Ausland mache, für den könne auch Pakistan interessant sein, so der Gedanke. Wie vielfältig die Wirtschaftszweige im Land sind und welches wirtschaftliche Potenzial es zwischen Pakistan und Deutschland gibt, stellte Dr. Faisal in seinem Vortrag ausführlich dar. Mit einer Bevölkerung von 220 Millionen ist Pakistan das fünftbevölkerungsreichste Land der Welt. Pakistans Lage sei aufgrund der Verbindung mit verschiedenen Regionen, darunter Westchina, Afghanistan und zentralasiatische Republikaner wie Turkmenistan, Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan, von strategischer Bedeutung“ so Dr. Faisal. Auch die drei gut etablierten Seehäfen am Arabischen Meer seien von strategischer Bedeutung.  „Ich freue ich mich, dass wir die Gelegenheit zur persönlichen Interaktion nutzen können“, richtete sich der Botschafter an die Abwesenden beim 104. Billbrookkreistreffen, „ich lade Sie alle ein, von dem immensen Potenzial Pakistans zu profitieren.“

Gründe, in Pakistan zu investieren

– Auszug aus der Rede des Botschafters –

Geostrategischer Standort: Pakistan ist strategisch günstig gelegen, um Asiens führender Handels-, Energie- und Wirtschaftsstandort zu werden. Verkehrskorridor – das Land ist auch das Tor zu den energiereichen zentralasiatischen Staaten, den finanziell liquiden Golfstaaten und dem wirtschaftlich fortgeschrittenen Fernen Osten. Allein dieser strategische Vorteil macht Pakistan zu einem Marktplatz voller Möglichkeiten. 

Bevölkerung und Arbeitskräfte: 55 Prozent der Bevölkerung sind unter 19 Jahre alt, was ein gutes Zeichen für ein langfristig nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist. Pakistan hat eine starke Mittelschicht. Ein Großteil der Belegschaft ist englischsprachig, fleißig und intelligent. Pakistan verfügt über einen großen Pool an ausgebildeten und erfahrenen Ingenieuren, Bankern, Anwälten und anderen Fachleuten, von denen viele über umfangreiche internationale Erfahrung verfügen. Der Verbrauchermarkt in Pakistan wächst sehr schnell, was sich in der Teledichte widerspiegelt, die inzwischen mehr als 150 Millionen erreicht hat.

Wirtschaftlicher Ausblick: Inmitten der globalen Finanzkrise und Pandemie hat Pakistans Wirtschaft Widerstandsfähigkeit gegenüber den Schocks gezeigt, globale und regionale Muster beibehalten und sich besser entwickelt als einige der Nachbarländer. Renommierte internationale Berichte haben gezeigt, dass Pakistan den Ländern der Region voraus ist.

Anlagepolitik: Es wurde eine Richtlinie entwickelt, um einen umfassenden Rahmen für die Schaffung eines förderlichen Geschäftsumfelds für die Anziehung von ausländischen Direktinvestitionen bereitzustellen. Pakistans Politiktrends waren konsistent, wobei Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung und Erleichterung die wichtigsten Eckpfeiler waren.

Sonderwirtschaftszonen: Das Gesetz der Sonderwirtschaftszonen wurde erlassen, um den globalen Herausforderungen der Wettbewerbsfähigkeit zu begegnen und ausländische Direktinvestitionen anzuziehen. Das Gesetz erlaubt die Schaffung von Industrie-Clustern mit liberalen Anreizen, Infrastruktur und Dienstleistungen zur Erleichterung von Investoren, um die Produktivität zu steigern und die Kosten der Geschäftstätigkeit für die wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung zu senken. Das Gesetz sieht ferner vor, Prozesse durch SEZ in Pakistan zu reduzieren.

Einfache Geschäftsabwicklung: Seit 2016 wurden fast 300 Reformen umgesetzt, um das Investitionsklima im Land zu verbessern. Infolgedessen verbesserte sich Pakistan in den letzten zwei Jahren um 39 Positionen im EODB-(Ease of Doing Business Index)-Ranking. Pakistan wurde als Top-Reformer in Südasien und als sechster Reformer weltweit anerkannt.

Die Charts zum Vortrag ...

Am Ende des Vortrags nutzten viele der anwesenden Gäste die Gelegenheit Fragen zu stellen und mit dem Botschafter ins Gespräch zu kommen. Bernhard Jurasch, Erster Vorsitzender der Billbrookkreis e.V. dankte Dr. Mohammad Faisal für den faktenreichen Vortrag und interessanten Einblick. Und er dankte auch Musarat Bhatti, der „als Brückenbauer zwischen Deutschland und Pakistan“ versucht Verbindungen herzustellen und der auch diesen Kontakt vermittelt hatte.   

Fotos: Mirko Hannemann

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